HEIMATSCHEIN

Früher mußte man sich nicht nur polizeilich anmelden, sondern auch das Heimatrecht erwerben. Das Orts-Heimatrecht bestimmte die Zugehörigkeit zur Gemeinde – eine Art von Gemeindebürgerschaft, die es in manchen Kantonen der Schweiz noch heute gibt.

Die Heimatscheine bezogen sich also auf die Zuständigkeit der Gemeinde. Die Heimatscheine waren deren Beurkundung.
Das Heimatrecht wurde nicht durch den Zuzug automatisch erworben, sondern man mußte sich darum bemühen.

Mit dem Heimatrecht hatte man Anspruch auf ungestörten Aufenthalt, das Wahlrecht und (ganz besonders wichtig) auf soziale Versorgung im Falle von Armut oder Not.

Das Heimatrecht konnte durch Amtsantritt (Beamte), Ersitzung (nach 10 Jahren durchgehendem Aufenthalt), Eheschließung (bei Frauen) und Abstammung (wenn die Eltern es besessen hatten) erworben werden. Bekommen hat man es im letzten Fall vom Vater, bei ledigen Kindern vom mütterlichen Großvater. Frauen bekamen bei der Heirat die des Ehemannes. Durch zweijährige Abwesenheit (Verschweigung) konnte man es verlieren. Zog man also in einen
anderen Ort um, mußte man dort erst um die Heimatgerechtigkeit/Zuständigkeit ansuchen oder erwarb sie nach einigen Jahren unbescholtenem Aufenthalt auch automatisch. Ließ sich ein Fremder etwas zuschulden kommen oder wurde nur arbeitslos, konnte er gewaltsam in seine zuständige Gemeinde gebracht werden, wo man sich um ihn kümmern mußte.

Aber es gab auch Fälle, die schon jahrzehntelang in einer Gemeinde gelebt hatten und trotzdem nicht dort, sondern woanders das Heimatrecht hatten. Das lag im Ermessen der Gemeinde. Waren Kosten zu befürchten, haben sie oft das Heimatrecht verweigert.

Geschichtlich entwickelte sich die Zuständigkeit aus der alte Zugehörigkeit zu einer Grundherrschaft oder einer Stadt bzw. eines Marktes. Mit der Auflösung der Grundherrschaften (in der Habsburgermonarchie 1848) wurde diese Zuständigkeit (Versorgungspflicht) auf die neugegründeten Gemeinden übertragen.

Wanderte ein Bewohner eines Ortes ab, so benötigte er ebenfalls einen Heimatschein. Mit diesen Heimatschein konnte er sich wo anders ansiedeln und arbeiten. Wenn er sich an dem neuen Ort gut führte, wurde er dort aufgenommen. Es muss über die Aufnahmen auch Protokolle geben. Wenn er jedoch verarmte, musste seine Heimatgemeinde für seinen Unterhalt aufkommen. Selbst wenn der männliche Abwanderer dort inzwischen geheiratet hatte, mussten seine Kinder und die Ehefrau bei seiner Heimatgemeinde geführt werden. Sie wurden dann mit in den Mannschaftsbüchern als x-Wohnpartei unter seiner letzten Hausnummer oder unter der Hausnummern von einen Bruder mitaufgeführt. In der Regel mit den Daten. In den Mannschaftsbüchern findet man auch Klagen der Heimatgemeinde gegen den neuen Wohnort des Abwanderers. Dies geschah nach 10 Jahren, wenn er bis dahin nicht aufgenommen wurde. Von daher sind die Mannschaftsbücher für die Verstreuung der Familien sehr wichtig. Bei weiblichen Abwanderern wurden auch deren unehelichen Kinder in der Ferne mit aufgeführt. In der Regel wurde auch die spätere Heirat mit Datum vermerkt. Dies war für die heimatzuständigen Gemeinden sehr wichtig.

In der Praxis hatte das Heimatrecht Bedeutung, wenn es Probleme gab. Lebte ein Mensch außerhalb seiner Heimatgemeinde und wurde dort beispielsweise arbeitslos, oder gar straffällig, dann wurde er in seine Heimatgemeinde abgeschoben, die sich um ihn kümmern mußte. Gerade die großen Städte, die zwischen 1848 und 1914 eine Masseneinwanderung erlebten, waren mit der Verleíhung des Heimatrechtes an die Neuzuwanderer (aus demselben Staat) sehr sparsam. Nicht nur finanzielle Gründe waren da ausschlaggebend, sondern auch Kulturelle. So mußten sich Neueinwanderer in Wien ausdrücklich und schriftlich zur deutschen Sprache und Kultur bekennen um die Heimatberechtigung zu erhalten. Freilich war das nur Theorie, denn hatten sie die Heimatberechtigung einmal erhalten, konnten sie ihre sprachliche und kulturelle Zugehörigkeit natürlich widerrufen.

Wichtig war die „Heimatzuständigkeit“ auch noch für die militärische Zugehörigkeit, also wohin man einrücken musste (auch eine Generation später noch).

1939 wurde das Heimatrecht in Österreich und der Tschechoslowakei aufgehoben, an seine Stelle trat nach 1945 der Nachweis der Staatsbürgerschaft.


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